Mir war öde, ich musste mal raus, raus aus Kössen. Kreuzfahrt? Busausflug?  Noch zum rechten Zeitpunkt kam mir die Erleuchtung: „Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah …“
Ein Freund kutschierte mich nach St. Johann zur Bergbahn. Rein in die Gondel und ab bis zur Mittelstation. Da sah ich dann auch schon den Wegweiser: Angerer Alm. Es war gar nicht weit – und ich stand vor einer wunderschönen, komfortablen Almhütte, mit Bedienung, worauf die Chefin auf dem Begrüßungsschild ausdrücklich aufmerksam machte.
Bedienung? Es war mehr als das: Verwöhnt worden bin ich, vom Frühstück bis zum Abendessen. Natürlich nicht nur ich, alle Gäste, die da übernachtet oder nur eine Rast gemacht hatten.
Als „Nachtenbummler“ bin ich ja nicht ein Früh-zu-Bettgeher. Und wenn sich der Schwarm verlaufen hatte, sei es, dass die Hausgäste schon in der Falle lagen oder die Tagesausflügler sich schon auf den Heimweg gemacht hatten, dann habe ich es mir noch in einem der Strandkörbe (!) gemütlich gemacht, die einladend auf der Terrasse stehen. Dass ich gegen Mitternacht noch bedient würde, konnte ich beim besten Willen nicht erwarten. Aber: Die Wirtin, Annemarie Foidl, hat halt an alles gedacht: Auf der Terrasse steht ein kleiner Kühlschrank, bestückt mit Bier und einigen anderen Getränken, bei denen man sich auch nach Mitternacht noch bedienen kann! Natürlich im Vertrauen darauf, dass man den Obolus in der bereitgestellten Schatulle hinterlegt.
Wie es kommen musste: Mein Geldbeutel lag auf meinem Zimmer und ich war natürlich zu faul, die Stiegen hochzusteigen. Also schrieb ich einen kleinen Zettel und deponierte ihn in besagter Schatulle. – Das hat manches Hotel nicht zu bieten!
Als ich mich am nächsten Morgen, der Kühlschrank war schon wieder aufgefüllt und die Schatulle ausgeleert, entschuldigen wollte, tat Annemarie das mit einer Handbewegung ab: Geh rein, im Frühstücksraum wartet ein Frühstück auf dich! Was da geboten wurde, natürlich allen Hausgästen, da können die Frühstücksangebote mancher, sogar ansonsten guter Hotels nicht mithalten!
Etwas muss ich noch loswerden: Annemarie ist Chefsommelière im Sommelierverband von Österreich, aktiv also auch in diesem Beruf. In dieser Eigenschaft reist sie zum Teil weltweit und – auch das muss noch raus – auf ihrer Angerer Alm hat sie einen reichbestückten Weinkeller! Deshalb kann man sich bei allen Mahlzeiten mit einem wunderbaren Tröpfchen verwöhnen lassen!
Und für alle jene, die glauben, der von mir geschilderte kleine Aufstieg zur Alm sei zu anstrengend: Man kann mit der Bahn bis zum Horn rauffahren und von oben herunter laufen, man kann auch mit dem E-Bike zur Alm gelangen –  oder wandern … meint

der „Nachtenbummler