Neue Rechtssicherheit für grenzüberschreitende Zusammenarbeit von EU Paragleiter-Flugschulen

Der trendige Paragleiter-Flugsport hat sich in den letzten Jahren auch für den heimischen Tourismus zu einem signifikanten Wirtschaftsfaktor entwickelt. Europaweit betreiben mehr als 500.000 Flugsportler dieses Hobby, entsprechend hoch auch die Wertschöpfung für Fachhandel und Tourismus.

Besonders die Flugsportdestinationen in den österreichischen Alpen, wie etwa die Flieger-Hochburg Kössen im Tiroler Kaiserwinkl, sind hochfrequentierte Hot-Spots der internationalen Gleitschirmszene.

Einen wesentlichen Anteil an der rasanten Entwicklung haben die Gleitschirm-Flugschulen mit der ständigen Neurekrutierung von Flugsport-Gästen. In allen EU-Ländern bedürfen die Ausbildungsunternehmen in der Regel einer Genehmigung durch die jeweilige nationale Luftfahrtbehörde. Die Flugausbildung bis zum Erhalt einer offiziellen Paragleiter-Lizenz ist europaweit normiert und unterteilt sich in eine Grundausbildung und eine fortführende Höhenflugausbildung. Schon auf Grund der topographischen Gegebenheiten bieten sich dazu enge Kooperationen zwischen deutschen und österreichischen Flugschulen an. Die Anfänger-Lehrgänge erfolgen in Nähe der großen Ballungszentren, etwa in Deutschlands Mittelgebirgen, und werden dann im Rahmen eines „Fliegerurlaubs“, mit Höhenflügen und Alpineinweisung bis zum Abschluss der Flugausbildung, in alpinen Fluggebieten fortgesetzt. So lernen die Flugsport-Fans nicht nur die speziellen Flugbedingungen im Gebirge kennen, sondern finden in den alpinen Flugsportdestinationen auch ihre „fliegerische“ Heimat, wohin sie später als willkommene Flugsportgäste – zur Freude der heimischen Hotellerie, Gastronomie und der Bergbahnen – immer wieder gerne zurückkehren.

Wegen fehlender sekundärrechtlicher Vorschriften für die Luftfahrt im EU-Recht herrschte in Österreich für solche Kooperationen weitgehend Rechtsunsicherheit. Alle Bemühungen für eine diesbezügliche nationale Regelung auf Beamten- und politischer Ebene gingen vorerst fehl. Jahrelang schien eine praktikable, unbürokratische und auf EU-Recht basierende Lösung in Österreich unmöglich zu sein.

KommR Sepp Himberger, Flugschule Kössen GmbH: „Auf Anraten der EU-Kommission haben wir uns schlussendlich an SOLVIT gewandt, einer Art Mediationsstelle der Europäischen Kommission zur Behebung von bürokratischen Hemmnissen in der Union. Dort prüfte man unsere Beschwerde in Hinblick auf die Rechtskonformität einer bewilligungsfreien, grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von deutschen und österreichischen Flugschulen nach EU-Primärrecht, bis hin zum Vorwurf der Diskriminierung durch die österreichischen Behörden. Unsere Rechtsansicht wurde klar bestätigt!“

Basierend auf EU-rechtlichen Vorgaben haben die neuerlichen Verhandlungen auf Beamtenebene, zwischen SOLVIT, dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaft (Europa-Agenden) und dem Bundesministerium für Klimaschutz (Luftfahrt-Agenden), auch die erhoffte Lösung gebracht:

  • Für Kooperationen von deutschen und österreichischen Flugschulen in Österreich bedarf es keiner weiteren bzw. zusätzlichen nationalen Bewilligung.
  • Das im österreichischen Luftfahrtgesetz normierte Erfordernis eines Betriebssitzes in Österreich soll für die Gastflugschulen fallen.
  • Und wird etwa von einer deutschen Flugschule eine eigenständigen Ausbildungsbewilligung in Österreich beantragt, ist die bestehende deutsche Bewilligung im österreichischen Bewilligungsverfahren zu berücksichtigen.

KommR. Himberger weiter: „Allein in Mitteleuropa gibt es an die 200 Gleitschirm-Flugschulen, die meisten suchen Ausbildungskooperationen im Alpenbereich. Bislang waren sie gezwungen, mit ihren Flugschülern dafür nach Italien, Slowenien und Kroatien auszuweichen. Rechnet man die Flugsaison über bis zu 100 Flugschülern pro Flugschule, so ergibt das eine stattliche Zahl von 10.000 neuen Flugsportgästen pro Jahr. Diese verweilen in der Regel 10 Tage in den alpinen Flugsportdestinationen, um dort 40 Höhenflüge für den Abschluss der Ausbildung zu absolvieren. Dies bringt 100.000 zusätzliche Nächtigungen für die örtlichen Hotels und Pensionen, ein entsprechendes Pensum an Verpflegung für die heimische Gastronomie und eine stattliche Anzahl von 400.000 zusätzlichen Bergfahrten mit unseren Seilbahnen. Dazu noch Start- und Landegebühren, Gebühren für Prüfungen und Fluglizenzen, zusätzliche Umsätze für den Fachhandel und die vielen kleinen Check-Betriebe. Es kann von einer zusätzlichen jährlichen Wertschöpfung aus der Flugsportszene von 20 Mill. Euro ausgegangen werden.“

Der Problemlösung kommt insofern auch Bedeutung zu, dass hier fundierte und richtungsweisende EU- und binnenmarktrechtliche Aspekte aufgezeigt wurden, welche auch für Flugschul-Kooperationen in anderen EU-Staaten Anwendung finden werden.