Wenn die Betriebsübergabe zur Hürde wird –
Wo sind die Tiroler Wirtshäuser geblieben??

Jede Gemeinde braucht Betriebe und ist bemüht, welche anzusiedeln. Dies geschieht meist in den dafür geschaffenen Gewerbegebieten. In den Ortszentren sind die Gebäude oftmals erhalten und stehen leer oder werden einer anderen Verwendung zugeführt. Meist handelt es sich dabei um traditionelle Bauten, aber auch um Wirtshäuser, die dem Dorf den Tiroler Charme geben. Auch in Walchsee haben in den vergangenen Jahren etliche, teilweise sehr renommierte Wirtshäuser geschlossen. Die „Fuchsgrub“, der „Kramerwirt“, der „Walchseer Hof“, das „Strandcafé“, der „Kirchenwirt“, der „Alpenhof“ lebten und verkörperten – mehr oder weniger – die Tiroler Wirtshaustradition. Die Betreiber sperrten die Betriebe ganz zu oder bieten die Verpflegung nur mehr ihren Hotelgästen an. Die Gründe für das „Zusperren“ sind mit Sicherheit vielfältig. Überbordende gesetzliche Vorgaben und die damit verbundenen Kosten bei Betriebsübergaben haben jedoch einen großen Anteil am „Wirtshaussterben“ in Tirol.

„Das traditionelle Tiroler Wirtshaus zeichnet uns als Region aus und spiegelt wider, wie wir leben“, sagt Bgm. Dieter Wittlinger. Der Erhalt, beispielsweise des „Fischerwirts“, ist ihm und seinem Gemeinderat daher ein großes Anliegen.

Als Jungunternehmer muss man allerdings sehr engagiert sein, um ein altes Haus zu übernehmen, denn kaum ist die Unterschrift getätigt, spazieren die Behördenvertreter an. Ein Werkstattbetreiber im Bezirk erklärte erst kürzlich: „Da kommst dir vor wie ein Verbrecher, wenn die Behörde aufmarschiert!“ Tatsache ist, dass bei Betriebsübergaben und/oder -übernahmen natürlich Reserven vom zukünftigen Betreiber eingeplant werden, doch nicht selten kommt es zu Vorschreibungen, die kaum jemand versteht. Jahrelang hat das Treppengeländer gepasst, plötzlich kommt das neue Gesetz zur Anwendung und es muss erhöht werden. Und so wird mit vielen anderen Dingen auch vorgegangen. In der Küche ist ein neues Gerät im Einsatz und das erfordert eine neue Lüftungsdimension. Dass einem Jungunternehmer dabei „Angst und Bange“ wird, ist verständlich, interessiert aber seitens der Behörde kaum jemand. Förderungen vom Land für derartige Betriebsübernahmen gibt es – spartenübergreifend – in unterschiedlicher Höhe sehr wohl, doch was sind 35.000,– Euro Jungunternehmerförderung im Vergleich zu den nahezu 200.000,– Euro Nachrüstungen, die bei den Betriebs-Anlagengenehmigungen dann vorgeschrieben werden. „Will man sich diese Traditions-Wirtshäuser in den Gemeinden bewahren, dann braucht es auch ein individuelleres Fördersystem dafür“, sagt Bgm. Wittlinger und nimmt dabei das Land Tirol in die Pflicht.
Regelmäßige Überprüfung
Eine Anfrage bei der BH Kufstein ergab, dass es nicht üblich ist, dass jene Beamten, die dann bei der Betriebsanlagengenehmigung aktiv werden, sich ein Gebäude bereits vor einem Kauf ansehen. Es wurde vielmehr darauf verwiesen, dass jeder Betrieb alle fünf bis sechs Jahre von sich aus sein Gebäude von einem technischen Büro überprüfen lassen sollte, damit gewährleistet ist, dass alle technisch notwendigen Neuerungen auch umgesetzt werden. Diese Überprüfung kann aber vom jeweiligen Unternehmer auch selbst durchgeführt und gemeldet werden. Die Wirtschaftskammer bietet allerdings dieses Service an, dass man vor einem Kauf oder einer Pacht das Gebäude von einem Mitarbeiter überprüfen lässt, der auf die notwendigen Investitionen hinweist. Dieses Service muss jedoch vom Unternehmer angefordert werden.

„In unserem eigenen Betrieb – einer bettenführenden Sonderkrankenanstalt zur stationären Behandlung von Lymphödempatienten –  gibt es beispielsweise Unterschiede bei den Vorgaben zur Errichtung von Lüftungssystemen zwischen dem Bau, den wir 1994 errichtet haben und einem Neubau aus 2013. Der Altbestand, wurde mir gesagt, kann hinsichtlich der Lüftungssysteme bleiben wie er ist, im Neubestand müssen die aktuellen gesetzlichen Vorgaben an Lüftungssystemen umgesetzt werden. Ändern sich nun die Eigentums- und Betreiberverhältnisse einer solchen Einrichtung, ist der neue Betreiber dazu gezwungen, die alten Systeme auf den neuesten technischen Stand zu setzen. Dann müssen die Dinge der neuen Gesetzeslage angepasst werden“, erklärt Wittlinger aus eigener Erfahrung.
Am Stammtisch diskutieren
Das trägt alles dazu bei, dass es gerade in der Gastronomie kaum noch Einzelunternehmer gibt, die sich über eine derartige Investition – oder man kann es fast schon als Wagnis bezeichnen – drüber getrauen. Auch größere Gastronomie-Unternehmen, die bereits mehrere Standorte haben und durch die behördlich angeordneten Sanierungen Investitionen tätigen müssen, können die Kosten dafür vielleicht leichter abfedern, tun sich jedoch, aufgrund des in der Gastronomie notwendigen Personals und der daraus resultierenden Kosten, genauso schwer.

Als Tourismusgemeinde, wie Walchsee eine ist, braucht es allerdings die traditionellen Wirtshäuser, um so wahrgenommen zu werden, wie Tirol am Reisemarkt wahrgenommen wird. Ebenso wichtig sind diese Gasthäuser aber auch die für heimische Bevölkerung. Der Stammtisch, an dem viel besprochen und diskutiert wird, die traditionellen Speisen, die daheim kaum noch zubereitet werden und vieles mehr zeichnet so ein Wirtshaus aus. Es braucht einen gegenseitigen vielfältigen Austausch, und dazu ist das „Tiroler Wirtshaus“ und nicht das Vereinsheim am besten geeignet.

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